Der jüdische Friedhof in Sulzbürg

Durch das im Jugendstil gehaltene Tor gehen wir in den Sulzbürger Judenfriedhof.

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Finden wir hier auch noch so manches jahrhundertealte Totenmal, so sind doch die meisten aus alter Zeit stammenden kaum zu lesen oder zu bestimmen. Ja, man nimmt sogar an, - und hier zitieren wir Dr. Weinberg, Rabbiner von Sulzbürg und später von Neumarkt - ,,daß ähnlich anderen Friedhöfen, um neuen Boden zu gewinnen, auf die Gräber zu gegebenen Zeiten Erdreich aufgeschüttet wurde. Diese Erwägung ergibt sich daraus, daß der in den letzten 60 Jahren benötigte Platz so groß ist, wie der bis dahin mehrere Jahrhunderte hindurch zu einer Zeit benutzte, da die Gemeinden noch größer waren." Die älteste noch lesbare Schrift in diesem Friedhof stammt von 1647. Sie besagt, dass hier die Tochter des Gemeindevorstehers Meier Sulzberger, eine gewisse Rifka, beigesetzt wurde. Wir haben versucht, diesen für uns überaus interessanten Namen genealogisch zu verfolgen. Dies ist bei alten jüdischen Familien sehr schwer, hatten die Mitglieder derselben doch früher nur selten Familiennamen, dafür aber meist mehrere Vornamen. Erst gegen 1800 wurden auch bei ihnen Familiennamen in größerem Umfang eingeführt. Nichtsdestoweniger konnten wir gerade bei dieser Familie einiges herausfinden.

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Das 1. Foto zeigt den jüngsten Teil dieses Totenackers, während das andere den ältesten Teil der Beerdigungsstätte wieder gibt.

Noch einmal wollen wir Dr. Weinberg zitieren. Über den Judenfriedhof schreibt er:

"Am Fuße des jetzt völlig verschwundenen Schlosses Untersulzbürg (auch Nieder-Sulzbürg) errichtet, liegt er zwar mitten im Ort, ist aber mit derartigem Geschick in seine reizvolle Bauart eingegliedert, daß er dessen Lageplan nirgends stört."


Und weiter schreibt der Rabbiner Weinberg: ,,Die Anlage ist ganz absonderlich. Noch heute markiert sich der älteste Teil auf unebenem Felsenbuckel gelegen; er war ziemlich eng begrenzt, und man musste mit dem Raum geizen. Die alten Grabsteine stehen vielfach an Abhängen und in Mulden; unbequem und fast mühsam ist der Zugang zu einigen."
Im Laufe der Zeit wuchs der Friedhof durch Erweiterungen -; man möchte sagen ; direkt in den Bergfels hinein."
Nicht die alten Steine auf dem Bergbuckel sind es, die den Betrachter als erstes anziehen, sondern die letzten Totenmale, welche Jahreszahlen wie 1928, 1929 oder 1932 tragen. Umseitig zeigen wir einige davon. Sie haben sich dem Trend der damaligen Zeit entsprechend ,,modisch" geändert. Sie zeigen aber auch ziemlich deutlich, ob der hier Ruhende arm oder reich war. Sahen sie im 19. Jahrhundert den alten Grabsteinen noch ziemlich ähnlich, - nur die Technik wurde verfeinert -

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so erhielten sie doch schon bald schwungvollere Formen, man möchte sagen, eine persönliche Note.

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Etwa um die Reichsgründungszeit (1871) wurden aus den früher flachen, ungeschmückten Steinen richtige kleine Kunstwerke. dass solche Steine, wie wir sie zeigen, nicht billig waren, steht fest.

Eine weitere Geschmacksveränderung in der Gestaltung jüdischer Grabsteine erfolgte zwar nach dem Ersten Weltkrieg, nur sind die in dieser Zeit gefertigten nicht mehr typisch für einen israelitischen Fried hof. Sie sehen jetzt auf allen Gottesäckern ziemlich gleich aus.

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Von diesem Zeitpunkt an werden die Beschriftungen auch oft in hebräischen und lateinischen Buchstaben eingemeißelt; neben Hebräisch und Jiddisch - in Sulzbürg waren beide Sprachgruppen vertreten - erscheint immer öfter die deutsche Sprache auf den Totenmalen. Damit verbunden, wird nun auch meist die christliche Zeitrechnung verwendet. Nach der jüdischen leben wir jetzt nicht im Jahre 1983, sondern wir würden 5744 schreiben. Die Juden zählen die Jahre vom ,,Beginn der Welt", und dieser liegt 3761 Jahre vor Christi Geburt.

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Die Frau Nanni Burger, auf deren Grabplatte wir die Jahreszahl 5656 lesen können, starb demzufolge nach der christlichen Zeitrechnung im Jahre 1896. Sie stiftete übrigens eine größere Geldsumme, damit in Sulzbürg ein Krankenhaus eingerichtet werden konnte. Der Jahresbeginn bei der jüdischen Zeitrechnung ist am 15. September der christlichen Zeitrechnung.

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Eins muss zum Abschluss der Beschreibung des Sulzbürger israelitischen Friedhofes noch gesagt werden: Grabsteine, auf denen zwei Hände abgebildet sind, zeigen, dass hier ein ,,Priester" (Cohen, Kohn) beigesetzt wurde. Ein Priester ist nicht wie im christlichen Sinne ein ausgebildeter Geistlicher, sondern ein normales Mitglied der jüdischen Gemeinde, das seine Funktion erblich von dem ersten Hohenpriester Aaron herleitet. Er allein ist berechtigt, nach Waschung der Hände, im Synagogengottesdienst den „Aaronitischen Segen“ zu sprechen, der übrigens auch vom christlichen Gottesdienst her bekannt ist: „Der Herr segne euch und behüte euch. Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Der Herr erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch Frieden.“

Das nächste Foto zeigt den jüngsten Grabstein des gesamten Friedhofes. Er stammt, wie man lesen kann, von 1932. (Es wird behauptet, die hier ruhende Klara Neustädter sei von Mainz übergeführt worden, so dass, wenn dies stimmt, eigentlich das Grab des Isak Neustädter (Bild Seite 18) die letzte Beisetzung im Sulzbürger Judenfriedhof gewesen ist (1929).

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Mit dem letzten Foto wollen wir nochmals einen Blick über den neueren Teil dieses Gottesackers tun. Diese Blickrichtung zeigt, dass der Friedhof direkt über den alten Judenhäusern angelegt wurde. Die im Hintergrund zu sehenden Dächer gehören zu den alten Judenhäusern, die wir bereits erwähnt und abgebildet haben. Es sind dies jene Häuser, in denen sich noch heute die wohl ältesten Eigentumswohnungen Bayerns befinden. Im linken abgebildeten Haus war das bisher älteste bekannte Ritualbad.

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